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Hörgeräte – Elektrosmog am Ohr?
Schwerhörigkeit ist ein weit verbreitetes Phänomen. Schätzungen zufolge sind etwa über fünf Millionen in Deutschland davon betroffen – ab dem 65. Lebensjahr nahezu jeder zweite. Über drei Millionen verfügen über ein Hörgerät. Mit zunehmendem Alter können Betroffene zwischen Geräuschen schlechter unterscheiden und auf Töne in vor allem höheren Frequenzen kaum noch reagieren. Der Verlust der Hörfähigkeit ist jedoch nicht nur dem Alter geschuldet: Durch laute Musik, Straßen- und Arbeitslärm ist auch bei immer mehr jungen Menschen der Verlust der vollen Hörfähigkeit zu beobachten. Unter anderem in der Getränke- und Lebensmittelindustrie gilt Schwerhörigkeit als typische Berufskrankheit. Laut der Weltgesundheitsbehörde (WHO) können in Deutschland rund 17 % der Bevölkerung als schwerhörig bezeichnet werden.
Der Bedarf an Hörgeräten ist dementsprechend hoch. Das Tragen eines Hörgerätes ist auch längst nicht mehr so unpopulär wie früher. Hersteller bieten mittlerweile eine große Vielfalt an dezent-kleinen Modellen in einem unterschiedlichen Design und wie bei anderen digitalen Kleingeräten auch eine technisch effizientere Qualität. Zudem sind die Anwendungsbereiche und Programmeinstellungen vielseitiger geworden. Im Prinzip besteht ein Hörgerät aus einem Mikrofon, einem Verstärker und einem Lautsprecher. Durch Mikrotechnik vermögen Hörgeräte Geräusche heraus zu filtern, zu identifizieren und gehen mit Zusatzfunktionen auch darüber hinaus. So können Hörgeräte per Funk sowohl intern als auch extern mit Geräten wie Smartphone, Computer, Fernseher gekoppelt und auf die jeweilige Frequentierung eingestellt werden. Hörgeräte werden mindestens 15 Stunden am Tag getragen – die Nachtphasen sind in der Regel davon ausgeschlossen. Im Gegensatz zu einem Smartphone befinden sie sich auch näher am Kopf. Hier stellt sich die Frage, inwiefern die elektromagnetische Funkfähigkeit ein gesundheitliches Risiko darstellen kann. Wie reagieren Träger eines Hörgerätes auf die jeweilige Dauer und Intensität der Funkwellen? Verhält sich die elektromagnetische Strahlung kumulativ zu anderen digitalen Kommunikationsgeräten?
Wie und wie lange „funken“ Hörgeräte?
Es gilt, zwischen zuzahlungsfreien und zuzahlungspflichtigen Modellen zu unterscheiden. Hörgeräte, deren Kosten von den Krankenkassen komplett übernommen werden, verfügen meist über keine Funktechnologien und sind hinsichtlich der elektromagnetischen Strahlungsbelastung zunächst unverdächtig. Funkfähige Modelle können dagegen, was die Strahlungsintensität und -dauer betrifft, je nach Hersteller sehr unterschiedlich sein.
Letztere können in zwei Funkarten unterteilt werden:
Die häufigst Form eines funkfähigen Hörgerätes ist die klassische „Hinter-dem-Ohr“-Variante. Sie verfügt über eine sogenannte T- oder Induktionsspule, die drahtlos Signale im Kurzstreckenbereich (NFMI = Near Field Magnetic Induction) überträgt. Die Signale können hierbei zwischen dem rechten und linken Hörgerät zur Feinabstimmung und damit zu einem besseren Hörerlebnis übertragen werden. Das Hörproblem beider Ohren kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, so dass die Hörgeräte aufeinander abgestimmt werden sollten. Es wird dazu geraten, diese programmtechnische Abstimmung von einem kompetenten Hörgerätakustiker vornehmen zu lassen. Da es sich um eine Kurzstreckenübertragung (von Ohr zu Ohr) im Frequenzbereich zwischen drei und zehn Mhz handelt, wird hierzu nur eine geringe Leistung von etwa einem Nanowatt benötigt – die Hälfte der Sendeleistung eines Mobiltelefons. Selbst bei einer dauerhaften Inanspruchnahme der Induktionsspulen ist die elektromagnetische Strahlungsbelastung eher gering. Laut einiger Hersteller liege die Strahlungsstärke pro Zentimeter Signalübertagung deutlich unter 1 µW/m² und sei daher aus gesundheitlicher Perspektive als eher unkritisch zu betrachten. Lediglich Personen, die auf geringe elektromagnetische Übertragungen sehr sensibel reagieren, könnten davon in Form von Kopfschmerzen beeinträchtigt werden.
Eine andere Variante bilden Hörgeräte, die mit einem Bluetooth-Sender ausgestattet sind und auf kurze Entfernungen Audiosignale von bluetoothfähigen Geräten wie Smartphones, MP3-Player, Fernseher, Tablets und Stereoanlagen empfangen können. Auch wenn es sich dabei um einen Bluetooth-Low-Energy-Sender (BLE) handelt, sind die Strahlungswerte recht hoch. Audiosignale können hier mit einem Milliwatt bis zehn Meter oder mehr gesendet werden und eine Strahlungsstärke im Kopfbereich bis zu 1.000.000 µW/m² verursachen. In diesem Fall sind es Frequenzen im Mikrowellenbereich von 2,4 Ghz, die rund 1600 mal pro Sekunde Impulse senden. Diese Funktion kann nach Bedarf an- und abgeschaltet werden, worauf auch oft verwiesen wird, doch kann diese Zusatzfunktion durch etwa die Nutzung eines Smartphones als externes Mikrofon des Hörgerätes zu einer Dauerstrahlung führen. Die Strahlungsstärke bemisst sich an der Distanz zu den entsprechenden Audiogeräten. Bei einer Distanz von 100 Metern oder mehr werden Signale mit bis zu 100 Milliwatt gepulst.
Neben den genannten Varianten kann ein Hörgerätträger Funksignalen ausgesetzt sein, die das Hörgerät selbst nicht sendet, sondern von induktionstechnischen Anlagen für Hörgeschädigte in Veranstaltungsräumen wie Schulen, universitären Hörsälen, Kinos, Kirchen und Theatern empfangen werden. Audiosignale werden hier in die Induktionsspule des Signalüberträgers eingespeist und über elektromagnetische Wechselfelder an die im Hörgerät integrierte T-Spule übertragen. Da es sich hier nicht nur um eine großräumige Signalübertragung handelt, sondern Geräusche nach Bedarf differenziert werden, ist die Strahlungsstärke höher als im Kurzsendebereich. Diese Funktion konzentriert sich auf Wortbeiträge und vermindert Nebengeräusche.
Fazit und Empfehlungen
Ein regelrechter Elektrosmog dürfte demnach kaum von einem Hörgerät befürchtet werden. Die sogenannten „Kassenmodelle“ sind bislang noch nicht funkfähig und können das generelle Hörvermögen akzeptabel steigern. Induktionstechnische Zusatzfunktionen differenzieren durch die interne Abstimmung die auditive Wahrnehmung und können auf die Signale externer Audiogeräte eingestellt werden. Der Kurzstreckenfunk (NFMI) scheint daher unbedenklich für die Gesundheit zu sein. Vor dem Kauf eines Hörgerätes mit Bluetooth-Funktion sollte zum Einen überprüft werden, ob und mit welchen anderen bluetoothfähigen Geräten das Hörgerät verbunden werden soll. Zum Anderen ist hier zu beachten, dass die empfohlene Anwendungsdauer nicht überschritten wird. Eine dauerhafte Anwendung kann Strahlungsintensitäten im Ohr verursachen, die die bisherigen Richtlinien deutlich überschreiten.
Generell ist beim Kauf eines Hörgerätes mit Funkfunktion eine kompetente Beratung unabdingbar. Verkäufer und Hersteller sollten eine detaillierte Auskunft über die Leistung, Dauer, Häufigkeit und möglichen Nebenwirkungen von Funksignalen informieren.